Rezensionen,  2 Sterne,  Gelesen 2014

[Rezension] Es wird keine Helden geben – Anna Seidl

Anna Seidl, Rezension, Oetinger Verlag

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Titel: Es wird keine Helden geben
Reihe:  Einzelband
Autorin: Anna Seidl
Verlag: Oetinger
Erscheinungsjahr: 2014
Einband: Hardcover
Seitenanzahl: 252

Meine Wertung: 2 Federn

Klappentext:

Kurz, nachdem es zur Pause geläutet hat, hört Miriam einen Schuss. Zunächst versteht niemand, was eigentlich passiert ist, aber dann herrschen Chaos und nackte Angst. Matias, ein Schüler aus ihrer Parallelklasse, schießt um sich. Auch Miriams Freund Tobi wird tödlich getroffen. Miriam überlebt – aber sie fragt sich, ob das Leben ohne Tobi und mit den ständig wiederkehrenden Albträumen überhaupt noch einen Sinn hat. Waren sie und ihre Mitschüler Schuld an der Katastrophe?

Rezension:

Ich bin ein bisschen hin und her gerissen von diesem Buch.

Einerseits war ich in der ersten Hälfte des Buches beeindruckt, mit welcher Intensität eine so junge Autorin ein solches Ereignis und die Gefühle und Gedanken ihrer Protagonistin Miriam beschreibt. Andererseits, und das mag auch dem Alter der Autorin geschuldet sein, handeln die Erwachsenen in diesem Buch nicht wirklich logisch für mich.

Welche Eltern würden ihr Kind tagelang in ihrem Zimmer lassen, wenn dieses sich weigert zu essen? Ich hätte meine Tochter nicht tagelang dort machen lassen, was sie will, sondern in ein Krankenhaus eingewiesen, wenn sie sich so verhalten hätte. Miriam erhält meiner Ansicht nach viel zu wenig Unterstützung durch ihre Eltern. Gut, einerseits verweigert sie sich natürlich auch jeglichen Versuchen, auf sie einzugehen, andererseits halte ich das für normal nach einem solchen Erlebnis und denke, dass die Erwachsenen hier die Aufgabe haben hartnäckiger und durchsetzungsfähiger zu sein.

Auf S. 80/ 81 war es dann mit jeglichem Mitleid, Verständnis oder was auch immer ich vorher noch positiv für Miriam empfunden haben mochte vorbei. Miriam ist ein furchtbarer Mensch, sie ist in meinen Augen genauso furchtbar wie Matias, der Amokläufer. Sie hat schlimme Dinge zu ihm gesagt. Dass sie sich nicht einmal jetzt, nach allem, was passiert ist, dafür schämt, sondern es auch noch richtig findet, was sie getan hat ist einfach unfassbar. Ich bin ehrlich geschockt.

Die Beschreibung von Joanne auf den Seiten 87/ 88 hat mir dann wieder Gänsehaut verursacht. Wie schafft es eine so junge Autorin derart eindrucksvoll zu schreiben? Joanne ist die Erste, die die alles entscheidende Frage laut ausspricht. „SIND WIR SCHULD?“

Insgesamt ging ich bis zur Hälfte des Buches durch eine Achterbahn der Gefühle. Ich hasste, Miriam, ich hatte Mitleid mit ihr und dann ging sie mir einfach nur wieder furchtbar auf die Nerven.

Leider schaffte die Autorin es bei mir nicht, mich das gesamte Buch über mitzuziehen. Etwa nach der Hälfte des Buches war plötzlich der Ofen aus. Das Buch langweilte mich, die Emotionen kamen nicht mehr bei mir an. Ich kann Miriam nicht glauben. In meinen Augen ist sie absolut nicht authentisch. Sie fängt zwar an zu reflektieren, aber irgendwie scheint mir dies nicht echt zu sein. Ich habe es ihr nicht abgekauft, dass sie wirklich Reue empfindet. Es scheint vielmehr so, als ob die Autorin meinte, dass es Zeit ist für Miriam auch mal darüber nachzudenken, was sie und ihre Freunde eigentlich für eine Mitschuld tragen. An der einzigen Stelle, wo man wirklich etwas hätte rausreißen können, auf S. 216, wird einfach darüber hinweg gegangen und Miriam bleibt Tobis Mutter die Antwort schuldig. Als ob die Autorin Angst davor hat sich wirklich intensiv mit dem Thema auseinander zu setzen.

Um es mal ganz offen zu sagen, ich bin der Ansicht, dass gut die Hälfte des Buches, in der es um Miriams Gefühle geht, auch ohne Amoklauf hätte stattfinden können. Wäre ihr Freund bei einem Autounfall oder an einer Krankheit gestorben, dann hätte sie die gleichen Gefühle gehegt. Der Part, der sich mit Miriams Trauerbewältigung auseinandersetzt ist der Autorin gut gelungen. Dass man natürlich nach einem solchen Verlust nicht einfach weitermacht wurde gut herausgearbeitet. Sehr intensiv fand ich die Stelle, an der Miriam immer wieder Tobis Mailbox anrief.

Auch hätte man meiner Ansicht nach wesentlich mehr auf Miriams Umfeld eingehen müssen. Wie geht es ihren Mitschülern, wie gehen die damit um. Wie verläuft der Schul“alltag“ nach einer solchen Geschichte? Würde nicht in die Schule auch mehr Seelsorge betrieben werden?

In meinen Augen ist dieses Buch okay zu lesen, aber leider auch nicht mehr, da es nur an einer sehr oberflächlichen Oberfläche kratzt, aber eine Auseinandersetzung mit dem Thema Mobbing und Amoklauf nicht wirklich stattfindet. Ganz interessant ist es zum Thema Trauerbewältigung zu lesen, aber das war ja eigentlich nicht das vorherrschende Thema um das es hier gehen sollte.

Von mir gibt es 2 Federn.

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6 Comments
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18. Januar 2014 18:17

Schöne Rezi 🙂 ich finde es immer wieder toll, wie du deine Gedanken niederschreibst.
LG
Cora

Kerstin
24. Januar 2014 22:00

Ups, da hätte ich vor der Verlosung wohl erst Deine Rezi lesen sollen ;-p

9. März 2016 19:51

Ich stehe zu dem Buch ähnlich wie du. Den Hype konnte ich auch nie nachvollziehen. Vielleicht erschien mir die Umsetztung noch umso schlechter, da ich bereits „Die Hassliste“ von Jennifer Brwon gelesen hatte, in dem, meine Meinung nach, das Thema Amoklauf, Verarbeitung und Schuld weitaus besser umgesetzt wird.

Trotzdem schöne Rezension =)
Liebe Grüße, Sandra von Miss Page-Turner