• Rezensionen,  5 Sterne,  Gelesen 2017

    [Rezension] Jahrhundertzeugen – Tim Pröse

    Jahrhundertzeugen, Tim Pröse, Heyne Verlag, Rezension

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    Titel: Jahrhundertzeugen – Die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler
    Reihe:
    Einzelband
    Autor:
    Tim Pröse
    Verlag: Heyne
    Erscheinungsjahr: 2016
    Einband: Hardcover mit Schutzumschlag
    Seitenanzahl: 320

    Meine Wertung: 5 Federn

    Klappentext:

    Der Leser wird mitgenommen auf einen bewegenden Besuch bei Ewald-Heinrich von Kleist, der Hitler töten sollte, er lernt Wilm Hosenfeld, den Held aus „Der Pianist“, und seinen Sohn kennen und erlebt die Letzte, die auf Schindlers Liste stand. Es gibt außerdem ein interessantes Interview mit Anne Franks Cousin Buddy Elias und man kann nachlesen, wie sich Hans Rosenthal vor dem Holocaust in einem Schrebergarten versteckte. Allesamt sind dies wichtige Jahrhundertzeugen, die von ihren Schicksalen erzählen und gegen das Vergessen kämpfen. Es sind Menschen, die zu Helden wurden und uns an ein Stück Zeitgeschichte erinnern, das sich um keinen Preis wiederholen darf. Diese Menschen sollten auch in den heutigen unsicheren Zeiten als Vorbild dienen. Man kann staunen über ergreifende und wahre Berichte und über beeindruckende Lebenswege. Das macht Mut für Themen wie Flucht und Vertreibung, die aktueller sind denn je.

    Rezension:

    Jahrhundertzeugen ist ein Buch, das ich nicht einfach so mal schnell runterlesen konnte. Man muss die 18 Geschichten langsam lesen, sie auf sich wirken lassen. Das verflixte dabei ist, dass sie dann noch mehr ihr Grauen entfalten. Ich muss gestehen, dass ich an einigen Geschichten schwer zu knabbern hatte. Dennoch: Dieses Buch muss von vielen Menschen gelesen werden!

    Tim Pröse schreibt unheimlich sensibel über die Geschichten von Anne Frank, Kurt K. Keller, Hand Rosenthal, Sophie Scholl und vielen anderen.

    Ich habe den größten Respekt vor den Menschen, die in diesem Buch zu Wort kommen. Einige sind inzwischen verstorben. Sie waren wirkliche Helden, aber das interessante ist, dass sie alle, sich selbst nicht als Helden sehen und auch nicht so bezeichnet werden wollen. Berthold Beitz sagte z. B. „Die Leute wollen mich zum Helden machen. Aber ich war keiner. Ich bin ein Mensch gewesen.“ (S. 45). Also, ganz ehrlich. Wer sich mutig an den Bahnsteig stellt und der SS die jüdischen Menschen quasi entreißt, um diese bei sich in der Fabrik zu beschäftigen und ggfls. zu verstecken. Der darf durchaus als Held bezeichnet werden. Nicht viele hatten und hätten den Mut dazu. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diesen Mut nicht aufbringen würde. Was aber auch immer wieder durchdringt ist, dass einige von ihnen Angst hatten. Angst zu versagen, Angst vor Repressalien, Angst vor dem Tod. Und genau das macht sie in meinen Augen noch mutiger. Denn, die Angst um das eigene Leben für das Leben von Tausenden zu überwinden… wenn das nicht Mut ist, dann weiß ich auch nicht.

    Tim Pröse schafft es immer wieder, den Bogen von einem zum nächsten Interview zu schlagen. Es kommen die Widerstandskämpfer und die Holocoust-Überlebenden selbst zu Wort, oft berichten aber auch Freunde oder Verwandte, der bereits verstorbenen Widerstandskämpfer. Sei es die Schwester von Sophie Scholl oder der Sohn und die Enkelin von Wilm Hosenfeld. Ich muss gestehen, dass mir viele der Namen bis zu diesem Buch nichts sagten, aber, jede der hier interviewten oder porträtierten Personen hat seine ganz eigene, sehr spannende Geschichte.

    Ich kann gar nicht so viel über dieses Buch sagen, außer, dass ihr es unbedingt lesen müsst. Hier geht es wirklich um Menschen, die sich mutig für andere Menschen eingesetzt haben, die in Zeiten absoluter Unmenschlichkeit ihre eigene Menschlichkeit nicht nur nicht vergessen, sondern ausgelebt haben. Dabei fand ich sehr spannend, dass bei Weitem nicht alle von Anfang an Widerstandskämpfer waren, sondern teilweise sogar jubelnd mit in den Krieg gezogen sind. Ihnen allen ist aber wieder gemeinsam, dass ihnen nach und nach die Augen geöffnet wurden und sie den Drehpunkt gefunden haben.

    Ewald-Heinricht von Kleist sagte gegenüber Tim Pröse: „Man muss immer das Richtige tun. Mehr kann man ja nicht.“ (S.142) Ich denke, dass wir alle genau wissen, wie schwierig es ist, immer das Richtige zu tun. Diesen Satz sollten wir alle uns also ganz groß einrahmen. So einfach gesagt, so schwer umzusetzen und doch so essentiell wichtig.

    Mich persönlich hat am meisten die Geschichte von Georg Elser beeindruckt. Ein einfacher Handwerker, der den Mut aufgebracht hat, eine Bombe zu bauen und diese in Bürgerbräukeller zu platzieren. Er zeigt, dass auch der Einzelne, der kleine Mann, den Mut aufbringen kann, die Welt zu verändern. Auch, wenn es ihm knapp nicht gelungen ist, so verdient er größten Respekt.

    Ich war erstaunt darüber, wie oft versucht wurde Hitler zu töten und wie oft es nur um wenige Augenblicke nicht geklappt hat und muss gestehen, dass mir das bisher gar nicht so bewusst war.

    Ich kann euch dieses Buch nur wärmstens ans Herz legen. Gerade in der heutigen Zeit wird es wieder enorm wichtig genau diese Geschichte nicht vergessen zu lassen. Wir steuern im Moment auf Zeiten zu, die mich besorgt machen, die mir Angst machen und ich denke, dass es extrem wichtig ist, dass wir uns alle vor Augen führen, dass so etwas nie wieder passieren darf. Wir alle müssen uns ein Beispiel an diesen Menschen nehmen. Nicht wegschauen, den Mund aufmachen, dafür sorgen, dass wir auch weiter in einem demokratischen Land leben dürfen. Eine schwere Aufgabe!

    Von mir gibt es verdiente 5 Federn für ein Zeitdokument, das sehr einfühlsam, aber mit genügend professionellem Abstand von Tim Pröse verfasst wurde.

  • Gemeinsam lesen,  Aktionen

    [Aktion] Gemeinsam lesen 2/2017

    Gemeinsam lesen

    ist eine Aktion von Schlunzen-Bücher, die immer am Dienstag stattfindet. In diesem Jahr werde ich versuchen regelmäßig daran teilzunehmen. Hier geht es zum heutigen Sammelbeitrag.

    Welches Buch liest du gerade und auf welcher Seite bist du?

    Ich lese „Jahrhundertzeugen – Die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler“ von Tim Pröse und bin jetzt auf S. 135. Das Buch ist 2016 im Heyne Verlag erschienen.

    Wie lautet der erste Satz auf deiner aktuellen Seite?

    „Der alte Herr in seinem Sessel führt eine Kaffeetasse zum Mund.“

    Was willst du unbedingt aktuell zu deinem Buch loswerden?

    Ich bin noch nicht so weit gekommen, denn es handelt sich bei „Jahrhundertzeugen“ um ein Buch, das man nicht so einfach runterlesen kann und sollte. Die Geschichten sind unglaublich, wahnsinnig einfühlsam geschrieben, aber sehr schwer zu verdauen. Ich habe den größten Respekt, sowohl vor Tim Pröse, der diese Interviews geführt und die Geschichten wahnsinnig sensibel aufgeschrieben hat, und natürlich noch viel mehr vor den Persönlichkeiten, die in einer Zeit, in der es sie ihr Leben hätte kosten können, aufgestanden und für die Menschen eingestanden sind.

    Welche 5 Bücher haben die ersten Plätze auf deiner Wunschliste?

    War´s das? – Peter Weck (Almalthea Signum Verlag)
    Ich mag Peter Weck als Schauspieler sehr und so interessiert mich auch seine Biografie.

    Rebellen lieben leidenschaftlich: Männerherzen schlagen schneller – Tommy Herzsprung (Emo Media GmbH)
    Der Klappentext liest sich sehr gut und der Autor wirkt auf Facebook total sympathisch. Das Buch muss ich lesen.

    Ein neues Ich – Joe Dispenza (Koha Verlag)
    Ich habe bereits einige Vorträge bei YouTube von Dr. Joe Dispenza gehört, mir fällt es aber schwer, seinem Englisch zu folgen. So möchte ich mich in der nächsten Zeit mit seinen Büchern befassen. Er ist dafür bekannt, wissenschaftliche Konzepte auf anschauliche und unterhaltsame Weise zu vermitteln und sie so auch Laien zugänglich zu machen. Soweit ich die Vorträge verstanden habe, fand ich sie sehr schlüssig.

    Punktlandung in Sachen Liebe – Jennifer E. Smith (Carlsen Verlag)
    Ich liebe die Bücher von Jennifer E. Smith und dieses habe ich noch nicht gelesen. Außerdem kann ich es gut für die Carlsen-Challenge 2017 lesen.

    Wer nicht schreibt, bleibt dumm – Stephan Clauss, Maria-Anna Schulze Brüning (Piper Verlag)
    Dem neuen Trend, dass Kinder erst einmal so schreiben lernen, wie sie sprechen, stehe ich extrem kritisch gegenüber. Wir alle wissen doch, wie schwierig es ist, sich Sachen, die man einmal falsch gelernt hat, dann irgendwann richtig einzuprägen. Mir selbst geht es mit dem Schreiben am PC so. Ich würde so gerne das Blindschreiben mit 10 Fingernbeherrschen, aber, nachdem ich mir das 6-Finger-Adler-Suchsystem beigebracht habe und damit sehr schnell bin, fällt es mir schwer, nun die richtige Technik anzutrainieren. Das Buch interessiert mich aus diesem Grund sehr.

    Welches Buch liest du gerade? Welches Buch wünscht du dir am meisten derzeit?

    PS: HTML-Links funktionieren bei mir in den Kommentaren nicht. Bitte setzt euren Link, wenn ihr ihn da lassen wollt, einfach in Klartext ein. DANKE