
[Rezension] Schicksalsmomente der Geschichte (2): Als der Sturm kam – Anja Marschall

Titel: Als der Sturm kam
Reihe: Schicksalsmomente der Geschichte; Band 2
Autorin: Anja Marschall
Verlag: Piper
Erscheinungsjahr: 2024
Einband: Taschenbuch
Seitenanzahl: 448
Meine Wertung: 5 Sterne
Klappentext:
Deiche brechen im Minutentakt, Straßen werden zu reißenden Flüssen, Menschen sind vom Wasser eingeschlossen. Es ist die Stunde der Wahrheit.
Für die spannende Reihe „Schicksalsmomente der Geschichte“ erzählt Anja Marschall in ihrem historischen Roman von Hamburgs dramatischsten Stunden seit dem Zweiten Weltkrieg:
Als die Flutkatastrophe über Hamburg hereinbricht, wird die Schreibkraft Marion der Leitung von Polizeisenator Helmut Schmidt unterstellt. Ein Krisenstab muss eingerichtet, NATO-Verbündete um Hilfe gebeten, Hubschraubereinsätze geplant werden. Marion kämpft gegen Müdigkeit und hat Angst um ihre bettlägerige Mutter, die mitten im überfluteten Gebiet von Wilhelmsburg in einer Gartenkolonie wohnt. Zur gleichen Zeit versucht der Hubschrauberpilot Hermann unter Einsatz seines Lebens, die Menschen von den Dächern ihrer Häuser zu retten. Die Nacht ist eiskalt, und das Wasser steigt noch immer …
100.000 vom Wasser eingeschlossene Menschen, 15.000 Helfer, 315 Tote: Die Hamburger Sturmflut von 1962 war für die Hansestadt die größte Katastrophe der Nachkriegszeit.
Im Februar 1962 wütet an der Nordseeküste ein Orkan. Gefühlt weit weg für die Hamburger, die sich in Sicherheit wähnen. Doch der Sturm ist längst auf dem Weg und überrascht die Menschen im Schlaf. Kurz nach Mitternacht brechen in Minutenfolge die Deiche, die Hamburg schützen sollen. Straßen werden zu reißenden Flüssen, in der gesamten Stadt fällt der Strom aus. Helmut Schmidt, damals Polizeisenator in Hamburg, beginnt noch in der Nacht, die Rettungsaktionen zu koordinieren.
Rezension:
Dieses Buch hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. „Als der Sturm kam“ ist eine Geschichte, die mitreißt – nicht nur, weil sie spannend erzählt ist, sondern auch, weil man spürt, wie viel Herzblut und Recherchearbeit in diesem Werk steckt. Anja Marschall lässt die Figuren so lebendig werden, dass ich beim Lesen das Gefühl hatte, selbst mitten im Geschehen zu sein. Jede Figur ist vielschichtig gezeichnet und wirkt absolut authentisch.
Besonders hervorzuheben ist eine der Figuren, Marion Klinger. Sie ist für mich das Herzstück der Geschichte. Marion ist eine Frau, die auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkt, doch genau darin liegt ihre Stärke. Sie ist keine klassische Heldin, sondern eine von vielen, die im Hintergrund wirken – und doch so viel bewegen. Im Verlauf der Geschichte zeigt sie, was es bedeutet, über sich hinauszuwachsen, selbst wenn die Umstände schwierig sind. Marion beweist Mut und Haltung, wo andere sich dies nicht trauen würden. Obwohl sie um ihre Mutter bangt, bleibt sie an ihrem Platz und sorgt dafür, dass im Hintergrund alles läuft. Sie ist das beste Beispiel dafür, dass auch die „kleinen Räder“ im großen Getriebe der Geschichte entscheidend sein können.
Auch die anderen Figuren sind durchweg authentisch und vielschichtig gezeichnet. Keine bleibt blass, jede hat ihre eigenen Facetten, Stärken und Schwächen. Besonders mochte ich, wie die Autorin es schafft, die Figuren mit wenigen, aber treffenden Beschreibungen zum Leben zu erwecken. Man spürt, dass hier Menschen handeln – nicht nur fiktive Figuren, sondern Charaktere, die von realen Ereignissen inspiriert wurden. Das verleiht der Geschichte eine besondere Tiefe und macht sie umso bewegender.
Die Handlung selbst ist packend erzählt. Besonders spannend fand ich, dass die Geschichte auf mehreren Ebenen und an unterschiedlichen Schauplätzen spielt. So bekommt man als Leser einen breiten Blick auf die Ereignisse – sei es aus der Perspektive von Marion, die sich plötzlich in einer Ausnahmesituation wiederfindet, oder aus der Sicht anderer Figuren, die an ganz unterschiedlichen Orten und in verschiedenen Rollen mit dem Sturm der Ereignisse konfrontiert sind. Diese Wechsel sorgen nicht nur für Abwechslung, sondern zeigen auch, wie eng alles miteinander verwoben ist – und wie viele Menschen in welchen Auswirkungen betroffen waren. Anja Marschall zeigt aber auch, wie Menschen in solchen Ausnahmesituationen plötzlich zusammen halte. Menschen, die sich zuvor kannten, oder auch nicht kannten.
Ein großes Plus ist auch der Schreibstil von Anja Marschall. Ihre Sprache ist flüssig und bildhaft. Sie schafft es, Spannung aufzubauen, ohne, dass sie in ein Drama gerät oder sich die Ereignisse überschlagen. Anja Marschall bleibt immer fokussiert und reiht ein Ereignis aneinander. Ich habe mitgefiebert, mitgelitten und konnte mich gut in die Zeit und die Atmosphäre hineinversetzen.
Was mich besonders beeindruckt hat: Man spürt auf jeder Seite, dass die Autorin gründlich recherchiert hat. Viele der Ereignisse, die im Buch beschrieben werden, haben so oder in ähnlicher Form tatsächlich stattgefunden. Dieses Wissen macht die Geschichte umso fesselnder und verleiht ihr zusätzliches Gewicht. Es ist nicht „nur“ eine fiktive Geschichte, sondern ein Buch, das ein wichtiges Kapitel der Geschichte aufgreift und auf einfühlsame Weise erzählt.
Insgesamt ist „Als der Sturm kam“ für mich ein rundum gelungenes Buch, das sowohl spannend als auch berührend ist. Es erzählt von Mut, Verantwortung und Zusammenhalt in einer sehr kurzen, aber sehr gefahrvollen Zeitperiode.
Ich vergebe 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung. Ein ugnlaublich tolles Buch.
Weitere Rezensionen findest du bei:
Bücherheike
Frau Goethe liest

